Was und wie müssen Menschen wissen, können und sein, um aktiv an der sozial-ökologischen Transformation von Gesellschaft teilhaben zu wollen und können?
Wie in fast allen (formalen) Bildungsbereichen hat sich auch im Bereich BNE die Beschreibung von Lernzielen in Form von Kompetenzen, die die Lernenden entwickeln sollen, durchgesetzt.
Die UNESCO definiert in ihrer Publikation "Education for Sustainable Development Goals - Learning Objectives" übergeordnete (s. Box unten) und SDG-spezifische Lernziele und Kompetenzen.
Im deutschsprachigen Raum wird vor allem auf zwei Kompetenzmodelle Bezug genommen: das Modell der Gestaltungskompetenz - "12 Kompetenzen der BNE" nach Gerald de Haan (2008) sowie auf die Kernkompetenzen im Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung (Neuauflage 2016) der KMK (s. Box unten).
Welche Kompetenzen Lehrende entwickeln sollten, um BNE als Multiplikator*in umsetzen zu können, definieren die Vereinten Nationen in ihrer Publikation „Learning for the Future – Competencies in Education for Sustainable Development“ entlang der 4 Lernfelder „Lernen, Wissen zu erwerben“, „Lernen zusammenzuleben“, „Lernen zu handeln“ und „Lernen zu sein“. Hierin wird deutlich, welch große Rolle die Entwicklung einer pädagogischen Haltung in Zusammenspiel mit einem weltgesellschaftlichen Bewusstsein spielt: BNE Lehrkompetenz begründet sich mehr in gelebter Haltung als (nur) in Fachwissen und methodisch-didaktischen Fähigkeiten.
In Anlehnung an dieses Kompetenzkonzept für Lehrende hat das Erasmus+ Projekt A Rounder Sense of Purpose - educator competences for Education for Sustainable Development" unter Beteiligung von Prof. Marco Rieckmann, Universität Vechta, eine Palette an Leitlinien und Tools für die Multiplikator*innen-Schulung entwickelt und getestet - unter der Leitfrage: Was für Lehrer*innen braucht es, um Lernende zu unterstützen, globale Herausforderungen anzunehmen und sich auf ihre Auswirkungen vorzubereiten?
Im Sinne einer integralen Verknüpfung von äußerem und innerem Wandel wurde mit den „Inner Development Goals“ eine innere Landkarte transformativer Fähigkeiten erstellt, die Individuen erlernen müssten, um zur Erreichung der SDGs beizutragen – entlang der Lerndimensionen Being, Thinking, Relating, Collaborating und Acting.
Eine enge Kompetenzorientierung wird im Kontext von BNE durchaus kritisch diskutiert:
- Bei einem eng ausdefinierten Kompetenzraster besteht die Gefahr der Instrumentalisierung / Verzweckung von Bildung für ein politisches Ziel: Die im Kompetenzbegriff angelegte Standardisierung und Outputorientierung von Bildungsprozessen steht im Widerspruch zur angenommenen Heterogenität von Lebenswelten und Lernwegen sowie zur Pluralität von Transformationspfaden. Damit widerspricht sie möglicherweise einem kritisch-emanzipatorischem Bildungsverständnis und den Grundwerten einer BNE.
- Die vielen Kompetenzmodellen inneliegende Fokussierung auf das lernende (autonom angenommene) Subjekt greift insbesondere im Kontext BNE als gesellschaftstransformierende Bildung zu kurz. Erziehungswissenschaftliche Diskurse zu transformativem Lernen gehen eher von einem relationalen Bildungsverständnis aus - d.h. der Aufbau von Beziehungen und Netzwerken zwischen Subjekten ist entscheidend für (kollektive) transformative Handlungen und Veränderungen, nicht (allein) die Konstitution des einzelnen Subjekts.
- Viele i.S.d. BNE nötigen Lernprozesse greifen eher auf der Ebene des Seins (Bewusstsein und verkörperte Haltung in der Welt), als der Ebene des Wissens und Könnens, auf die sich Kompetenzsmodelle i.d.R. beschränken. Ausnahmen sind die o.g. UN und IDG Competence Frameworks.
Jedes Kompetenzmodell sollte daher nur als reflexive Hilfskonstruktion betrachtet werden, um den Bildungsauftrag von BNE zu operationalisieren, zu reflektieren und transparent zu machen. Im Sinne einer transformativen Bildung sollten die dem eigenen BNE-Verständnis zugrundeliegenden Wissens- und Lernvorstellungen (epistomogisch), Welt-und Menschenbilder (ontologisch) und damit zusammenhängende (Bildungs)Theorien des Wandels kontinuierlich hinterfragt werden.