Warum braucht die sozial-ökologische Transformation einen Bildungswandel?
In seiner aktuellen institutionellen und pädagogischen Ausrichtung ist das Schulsystem wenig nachhaltig – und zwar nicht nur in Bezug auf Fragen von Mülltrennung, Ressourcenverbrauch und Schulessen oder der Relevanz der behandelten Inhalte für die Herausforderungen der Welt von Morgen. Die entscheidenderen Nachhaltigkeitsfragen stellen sich an die Werte und die Menschen- und Weltbilder, die in Schule als zentraler Sozialisationsort junger Menschen vermittelt werden: Die kulturellen Grundmuster unseres nicht-nachhaltigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems spiegeln sich in der institutionalisierten Lern- und Organisationskultur von Schule wieder und werden internalisiert, so z.B. in Leistungsdruck, Konkurrenzdenken, Beschleunigung, Segregation, Fremdbestimmung, Entmündigung, Fächerlogik (Siloblick statt systemischer Blick) oder der standardisierten Bewertung (statt Wertschätzung) von Lernfortschritten durch Noten. Das Schulsystem ist – bei aller Vielfalt in der Schullandschaft und der tollen Arbeit vieler Lehrkräfte entgegen dieser Logik - sehr effektiv darin, Menschen im Sinne der herrschenden gesellschaftlichen Ordnung zu konditionieren. Bildung wirkt nicht per se transformativ, sondern neigt eher dazu, gesellschaftliche Normen und Machtstrukturen zu verfestigen. Der politische Auftrag an Bildung, zur sozial-ökologischen Transformation beizutragen, steht also im Spannungsverhältnis mit dem nach wie vor herrschenden Grundverständnis von Schule.
„Schulen prägen Einstellungen und Haltungen maßgeblich. Sie tun dies durch den heimlichen Lehrplan, die gelebte Kultur: Steht der Mensch und damit Begegnung, Berührung, Vertrauen und Zutrauen im Mittelpunkt oder der Stoff ? Weht ein Geist von Mut, Würde und Mitmenschlichkeit oder regieren Defizitgeist, Normierung und Verwaltungsgeist? In Zeiten, wo Herzensbildung, Kreativität, Komplexität und Querdenken bedeutsam sind, lehrt der heimliche Lehrplan in vielen
Schulen Zerstückelung, die Hierarchie von Fächern,Gleichschritt in vermeintlich homogenen Gruppen und Bewertung“. Margret Rasfeld, Schule im Aufbruch
Teaching Change? – Change Teaching! Transformative Bildung muss daher mit Bildungskritik beginnen, mit einem Verständnis für die instrumentelle Verstrickung des Bildungssystems mit dem größeren Gesellschaftssystem, das in Krise liegt. Sie muss nicht auf die Bildungsrevolution warten, sondern kann bewusst und mutig Freiräume nutzen, um Grenzen zu verschieben und lernkulturellen Wandel zu ermöglichen.
Welche Bildung brauchen wir am Ende der Welt, wie wir sie kennen?
BNE als eine transformative Bildung, die zur aktiven Teilhabe an wirklichen Veränderungsprozessen ermächtigt und diese erst möglich macht, ist daher kein Unterrichtsthema, sondern bedeutet eine neue Lernkultur:
Fächerübergreifendes & projektbasiertes Lernen, Vernetzung mit dem außerschulischen Umfeld & Nutzen verschiedener Lernorte, Partizipation & Selbstbestimmung, Achtsamkeit & Reflexion, Kooperation & Verbundenheit, Verantwortung & Teilhabe, Lernen mit allen Sinnen & dem ganzen Körper, Kreativität & Experimentierfreude, Raum für Emotionalität & Sinnsuche, Ambiguität statt Objektivität, Feedback statt Noten, Freiräume & Spaß am Lernen, Lernbegleiter*innen statt Lehrer*innen, Weniger ist Mehr. Kurz: Schule neu erfinden und anders leben.
Vom Mind-Behaviour-Gap zum Transformativen VERlernen?
Die oft zitierte Lücke vom Wissen zum Handeln zeigt sich im Kontext von BNE im besonderen Maße: Ein Problembewusstsein gekoppelt mit dem Wunsch nach Veränderung führt häufig nicht zu wirklichen Verhaltensänderungen und Handeln. Veränderung fällt schwer, individuell und kollektiv internalisierte Muster wirken - oft wider besseres Wissen – als mächtige Beharrungskräfte. Bei BNE als transformatives Lernen geht es daher um eine Irritation und Erweiterung der verinnerlichten Wahrnehmungs-, Deutungs-, Denk-, Gefühls-, Handlungs- und Beziehungsmuster, die uns vielfach von Wandel abhalten. Statt (nur) um ein Mehr an Wissen, geht es also vor allem um die kritische Reflexion des bereits erworbenen Wissens und mitunter auch um ein Verlernen erworbener Weltsichten und Verhaltensmuster, als ein kritisch-emanzipatorischer Prozess, oder um eine Neuorientierung von Selbst- und Weltverhältnissen im Sinne einer Weltbeziehunsgbildung. Für diese Art von Lernen ist die gelebte Lernkultur viel entscheidender als Fächerinhalte. Schulen haben das Potential zu Reallaboren des Wandels zu werden und die Werte, Haltungen und Fähigkeiten zu vermitteln, die der sozial-ökologischen Transformation in einer zunehmend krisenhaften Welt zuträglich sind: Naturverbundenheit, Vertrauen, Verantwortung, Gemeinsinn, Achtsamkeit, Genügsamkeit, Kreativität, vernetztes Denken, Neugier, Experimentierfreude, Emotionalität und Reife...